„Bevor ich ein Kind kriege, muss ich einen unbefristeten Arbeitsvertrag haben“ – nur einer der tausend wenn-dann-Dauerschleifensätze, die wir Generation-Y-Frauen gerne von uns geben. Liebe Generation Y, mit bevor-ich-nicht-Sätzen kommen wir nicht weiter. Wir stehen uns damit selbst im Weg. Ein Plädoyer für’s Kinderkriegen, „obwohl“ wir jung und gut ausgebildet sind.
Wenn, dann, vielleicht, mal schauen. Der perfekte Slogan der Generation Y lautet: Ich will alles, und zwar sofort. Ohne mir natürlich dabei andere Möglichkeiten zu verbauen. Wir können uns einfach nicht entscheiden, weil wir eben die Wahl haben. Und die Qual. Daher die Endzwanzigerkrise. Wenn wir, die „Generation Ich“ (Spiegel), wirklich alles haben können – dann nur, wenn wir aus der bevor-ich-nicht-Dauerschleife ausbrechen: Bevor wir Familie gründen, muss ein sicherer Job an Land gezogen sein (und ein paar Stufen Karriereleiter). Bevor wir so richtig ins Arbeitsleben einsteigen, müssen wir unbedingt noch die Rucksacktour durch Nepal machen. Sonst haben wir was verpasst. Worauf warten wir also?
Wenn man sich hingegen ewig alles offenhalten will, ist das Thema Kinderkriegen natürlich besonders heikel. Ist erstmal ein Kind da, ist es mit der Freiheit vorbei – so die stille Meinung der Endzwanziger. Ich kenne diese mitleidigen Blicke, wenn ich die Grillparty am Samstagabend um halb zwölf verlasse, damit ich am Sonntag vormittag fit und munter mit Mann und Kind wandern gehen kann. Ich tue das gerne. Es ist mir ein Graus, um ein Uhr morgens noch mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu einem Club zu tingeln, um nach einer Stunde Anstehen zehn Euro für einen Cocktail zu bezahlen. Das klingt spießig. Dabei bin ich 27, also im besten Generation-Y-Alter. Ich teile die Probleme der Generation Praktikum, denn auch ich habe keine Lust, mal für 400 Euro von einem Betrieb in den anderen geschoben zu werden. Aber liegt das nicht auch ein wenig an uns? Am sich-noch-nicht-festlegen-wollen? Am lieber-nochmal-weiterschauen?
Genauso ist es mit dem Thema Kinder. Vor lauter erstmal-muss-ich-Gedanken werden vielleicht viele von uns in zehn, zwanzig Jahren sagen: „Eigentlich wollte ich mal Kinder haben“. Das ist auch der Slogan von mitoderohne, wo Journalistin Sonja Salzburger üder das Für und Wider des Kinderkriegens in unserem Alter schreibt. In einer Phase, in der wir doch eigentlich „leben“ wollen, nicht wahr? Bei den Digital Media Women hat die Rechtsanwältin Nina Dierks einen tollen Artikel darüber geschrieben, wie sie Kinder und fast-Vollzeit-Job unter einen Hut bekommt. Als mit 27 ihr erstes Kind kam, war eine 40-Jährige Anwältin fassungslos: „Mit 27 wollte ich kein Kind, mit 27 habe ich gelebt!!“
Was soll man dazu sagen. Juhu, ich lebe! Gerade hab‘ ich meinen Master-Abschluss gemacht und ja, jetzt mache ich verdammt nochmal auch noch ein Praktikum. Oder zwei. Hört sich ziemlich nach Generation-Y-Leben an. Und Leben allemal. Das ist auch mit Kind noch lange nicht vorbei, versprochen. Im Gegenteil: Es eröffnet ganz neue Möglichkeiten. Fällt eine Tür zu, gehen schließlich immer drei neue auf. Ich kenne mich nicht mehr in der Münchner Club-Szene aus. Aber ich kenne die schönsten Parkbänke, wo man abseits vom Hipster-Trubel einen Coffee to go genießt und mit dem Sohnemann in die Sonne blinzelt. Ich kenne eine Million mehr Kochrezepte, lese endlich wieder Bücher und habe mir extra dafür einen gemütlichen Sessel mit Blumenmuster gekauft. Klingt schon wieder spießig – und wieder nach Generation Y, die ja auch gerne zu Neo-Spießern wird.
A propos Spießertum: Wie die große NEON-Umfrage zum Leben im Jahr 2014 zeigte, wollen 49 Prozent der 18- bis 35-Jährigen mit 40 „mit ein bis drei Kindern im Haus mit Garten“ leben. Die Alternative „Mit ein bis drei Kindern im Altbau in einem hippen Viertel“ wählten nur 8 Prozent. Kinder haben wollen knapp 90 Prozent (2005: 70 Prozent). Irgendwo habe ich auch gelesen – im Moment kann man ja überall was zu uns, der Generation Y/Ich/Praktikum/Wieauchimmer lesen – dass Bausparverträge wieder mega-hip sind. Spießertum ist in. Cupcakes, DIY, Bausparvertrag – ich mache das mit und es gefällt mir. Mit Kind übrigens noch mehr, weil ich bei all den Wenn-Dann-Vielleicht-Möglichkeiten weiß, wo ich hingehöre. Wo man mich braucht, außerhalb von Praktikum und Facebook. Das hört sich drastisch an. Freunde und Familie brauchen einen auch, klar. Sie sind immer für uns da. Unersetzlich.
Und doch: Ein Kind ist eine Konstante, die Kräfte zehrt – und verwurzelt. Ein Anker. Genau der fehlt der Generation Y noch zu ihrem Glück. Work hard, play hard. Feiern, Reisen, Arbeiten, das können wir. Networken, das haben wir gelernt. Wir sind Meister darin. Aber restlos glücklich machen uns die Follower, Facebook-Freunde und XING-Kontakte nicht.
Wenn ich um halb zwölf von der Grillparty meiner Freundin abhaue, bin ich der glücklichste Mensch der Welt. Ich weiß, wo ich hingehöre, und was der Preis dafür ist. Ich werde morgen nicht wissen, wer mit wem wahrscheinlich Schluss macht und wer mit wem heimlich rum. Um zwei Uhr morgens bei der Küchenparty war ich nicht mehr dabei. Und danach nicht im Club. Vielleicht kostet mich das ein paar Networking-Punkte. Aber auf mein wichtigstes Network kann ich mich verlassen. Es wird mich spätesten morgen früh aus dem Bett holen. Mit einem piepsigen „Mamaaaa“ und einem ironisch grinsenden „Na, warst du feiern?“. Mit dem herzlichsten, echtesten „Like“ der Welt eben.
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